Friday, October 16, 2009

Endlich - Ein Reisebericht

Liebe Freunde

Ich weiss ich weiss, seit ueber 6 Monaten bin ich nun unterwegs und habe bisher keinen einzigen Reisebericht veroeffentlicht - da kann ich mit anderen Weltenbummlern nicht ganz mithalten das gebe ich sofort zu.
ich suche auch keine Ausreden wie "keine Zeit gehabt", "im Internetcafe ist der Strom ausgefallen" etc., nur.. ich bin halt von Natur aus eher etwas schreibfaul und sohon mit dem Betiteln meiner Fotos am Rand meiner Kapazitaeten :-)
Aber das soll sich jetzt aendern!!!

Hier nun mein erster Reisebericht:



Rheinfelden, 6. April 2009,um 10 Uhr verabschiede ich mich von Wanja, der noch ein Erinnnerungsfoto von mir macht. Dann fahre ich weiter in Richtung Kaiseraugst und halte an der Coop-Kreuzung an,weil die Ampel auf Rot ist. Als sie auf Gruen schaltet, fahre ich wieder --- HALT HALT! Keine Sorge, ganz so ausfuehrlich soll es nicht werden, also spulen wir etwas vor:

Panama City, 20.08.2009:

Wow, geschafft!! Nach ueber 4 Monaten und fast 6'000 Kilometern in den Beinen habe ich mit der Mittelamerika - "Durchquerung" meinen bisher groessten Meilenstein erreicht. Jetzt wartet ein weiteres Highlight auf mich - eine fuenftaegige Segelreise, die mich ins langersehnte Ziel Kolumbien bringen soll.
Die wenigen Tage in Panama City verbringe ich mit Faulenzen, endlich wieder einmal fein essen, Kanalbesichtigung, und ich lasse die vergangenen Monate gedanklich Revue passieren. Vieles habe ich erlebt, seit ich an diesem 6. April losgefahren bin, schoene Orte gesehen, tolle Menschen kennengelernt und neue Freundschaften geschlossen.

Ich habe mit einigen Widrigkeiten gerechnet, mit brenzligen Situationen aber -bisher verlief meine Reise schlichtwegs reibungslos (von 2 Platten in Guatemala abgesehen). Ich folge einigen Webblolgs von Langzeitradlern, die die gleichen Strecken schon gefahren sind und von gefaehrlichen Situationen berichten, lebensgefaehrdenden Lastwagenfahrern und steinewerfenden Kindern - die muss ich wohl alle verpasst haben.

Spannend sind die Begegnungen mit anderen Langzeitreisenden, irgendwo und laueft man sich immer wieder ueber den Weg. Besonders bereichernd war die Begegnung mit Margrit und mit Pius, die ich in Mexiko kennengelernt und mit denen ich streckenweise gefahren bin. Zusammen sind wir auch die letzten Etappen nach Panama City gefahren, von wo aus sie nach Peru geflogen sind.

Zurueck zur Segelreise: Fruemorgens werde ich in meinem Hostal abgeholt und per Pick-Up ins ca. 100 km entfernte Porvenir gebracht. Dort warten auch schon der Captain und meine Mitreisenden auf mich. Nach einigen Tagen im Inselparadies San Blas geht es dann ab aufs offene Meer und hier wartet schon die erste Ueberraschung auf uns: mit viel Rauch und Husten verabschiedet sich der Schiffsdiesel. Nichts ist mehr zu machen, die naechsten 300 Kilometern werden wir mit Windkraft zuruecklegen muessen.
Und dies erweist sich als Gluecksfall! Kein Laerm und Gestank in der engen Kabine, die Sinne weit offen fuer die unendliche Weite des Meers, den naechtlichen Sternenhimmel, das entschaedigt uns mehr als genug fuer das bange Warten waehrend der zum Teil laengeren Windflauten.
Und die Einsicht dass man das Geschehen nicht immer selbst in der Hand hat und darauf zu vertrauen dass trotzdem alles gut kommt.
Nach 6 Tagen erreichen wir dann die Kolonialstadt und "Perle der Karibik" Cartagena und werden von der Kuestenwache in den Hafen geschleppt, da es schon dunkel ist.

Nach 4 Tagen erneutem Faulenzen gehts dann los, das Abenteuer Kolumbien hat begonnen.
Nach einigen superheissen Tagen an der Kueste geht es ab nach Bucaramanga im Landesinnern und schon auf 900 Metern gelegen. 6 Tage dauert die Reise dorthin und mit jedem Tag wachse ich mehr in dieses Land hinein, das mich schlichtwegs bezaubert.
Colombia me encanta!!

Was fuer ein Widerspruch zu den gaengigen Klischees die man ueber dieses Land hoert. Schwer nachzuvollziehen die Aengste die ich vor diesem Land hatte bevor ich meine Lateinamerika Reise gestartet bin.
Drogenhandel, Guerilla, Entfuehrungen etc.. Natuerlich, diese Probleme bestehen, nur bekommt man sie als Reisender kaum mit. Kolumbien ist ein Land im Wandel. Die Guerilla wurde in den letzten Jahren aus den Grossteilen des Lands in die entlegenen Dschungelgebiete zurueckgedraengt, wo sie weiterhin den Drogenanbau kontrolliert.

Die Kolumbianer selbst leiden unter ihrem schlechten Image, ich weiss nicht wie oft ich schon gebeten wurde - wenn ich dann wieder zuhause sei - meinen Freunden zu erzaehlen wie schoen es wirklich ist in ihrem Land.
Okay ich ziehe das jetzt etwas vor und schreibe eine kleine Lobeshymne:

1. Die Kolumbianer sind ein herzliches und gastfreundliches Volk, Fremden gegenueber sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig.
2. Die Hunde in Kolumbien sind viel netter als ihre Kollegen z.B. in Honduras, sie bellen zwar aber springen einem viel weniger nach.
3. Im Vergleich zu Zentralamerika ist Kolumbien ein sehr sauberes Land, keine Muellberge am Strassenrand und die Toiletten blitzsauber, da koennte sich noch manch ein Schweizer Restaurant ein Beispiel daran nehmen (einziger Nachteil, das Papier fehlt oft)
4. Ich werde kaum gefragt wie teuer mein Velo sei, was ich verdiene etc. etc. aber ob ich meine Familie vermisse, wie oft ich zuhause anrufe und wer sich denn um mich kuemmere wenn ich unterwegs bin. In Kolumbien ist die Familie Ein und Alles.
5. etc. etc. es gaebe noch viel zu ruehmen aber das werde ich im naechsten Reisebericht nachholen.

Die letzten 2 Wochen habe ich in Medellin verbracht. Auf einer Velotour habe ich Mauricio kennengelernt und in der Folge seinen Freundeskreis. Telefonnummern getauscht, ausgegangen, soziale Kontakte geknuepft, das war fast schon wie ein Zuhause zu haben. Das fehlt mir manchmal schon ein bisschen beim Veloreisen, oft bin ich allein. Die letzte Woche bin ich privat bei einer Freundin und ihrer Mutter "untergekommen", Leben in der Familie, war schoen.

Besonders gefreut hat mich der Besuch meines Bruders Thomas, wir haben einige relaxte Tage in Medellin verbracht.



Ich bin jetzt in Manizales angekommen, das liegt an der sogenannten "eje cafetera", der Kaffeeachse. Hier wird Kolumbiens bester Kaffee angebaut. Weltweit der beste sagen die Kolumbianer. Morgen geht es weiter nach Nevada del Ruiz, einem Nationalpark mit einem Vulkan knapp auf 5300 Metern. 1985 ist er das letzte Mal ausgebrochen und hat 25'000 Menschen das Leben gekostet. Der Eintritt mit Velo ist verboten, aber nachdem ich das lokale Buero aufgesucht habe und meine Situation erklaert habe, wurde mir ein Spezialbewilligung erteilt, das ist einfach cool in Kolumbien, ein Nein ist nicht einfach ein Nein sondern verhandelbar.

Und zum Schluss ein kleines Essay punkto Veloreisen - fuer mich die absolut schoenste Art Land und Leute kennenzulernen. Natuerlich ist es physich ungleich anstrengender als sich im Bus den Hintern abzusitzen - aber wieviel reicher an Erfahrung das macht es auf jeden Fall wett.
Ich errege viel Aufmerksamkeit mit meinen vollbepacktem Vehikel. Mein Velo wird bestaunt und manchmal werde ich sogar gefragt wo der Motor sei (no shit!).
Fuer Gespraechsstoff ist gesorgt und nach jedem Halt muss ich mich loseisen sonst wuerde ich keine 20 Kilometer schaffen pro Tag.
Die meiste Zeit bin ich in laendlichen Gegenden unterwegs, uebernachte bei Tankstellen oder in kleinen Doerfern, selten in groesseren Staedten mit touristischer Infrastruktur. Hier bin ich oft der erste Auslaender seit Wochen. Die gaengigen Reisefuehrer nuetzen mir daher nicht viel. Wenn ich in eine Ortschaft komme fahre ich in den Parque Central und frage wo es guenstige Hospedajes gibt.
Die Landschaften ziehen langsam vorueber. Ich bekomme ein Gefuehl fuer die Distanzen, ich kann fast die ganze Reise vor meinem inneren Auge nachvollziehen.
Oft halten Autofahrer an, machen Fotos, bieten mir Wasser an, gestern ein Waadtlaender der in Armenia eine Kaffeefarm besitzt und mich zu sich Zuhause eingeladen hat (Schweizer Faehnlein sei Dank :-)

Ich bin in der Zwischenzeit ziemlich relaxt unterwegs. Ist mir nicht mehr so wichtig ein Tagesziel unbedingt zu erreichen sondern mehr den Moment unterwegs zu geniessen.

Ja das wars mal fuers Erste, ich hoffe Ihr muesst nicht mehr so lange auf den naechsten Bericht warten

Machts gut und bleibt gesund!
Matthias

3 comments:

  1. Hallo Matthias! Endlich liest man mal einen Bericht von dir. Nachdem ich schon ein paar Mal hier geguckt hatte, wo du bist und nichts Neues gesehen hatte, war ich lange Zeit nicht mehr auf dieser Seite. Dann eimal habe ich Patrick gefragt, ob er denn etwas über dich wisse... Die Antwort war ja, du seist in Medellín und so habe ich deine Blogadresse gesucht und endlich etwas über deine Reise lesen können.

    Kolumbien ist die Überraschung, was? In Medellín verbrachte ich etwa insgesammt 3/4 Jahre! Dort herrscht das angenehmste Klima, das ich kenne! Irgendwann werde ich wieder nach Kolumbien reisen, mein Lieblingsland in Lateinamerika.

    Ich habe keine Ahnung, wo du nun bist. Vielleicht in der Salsahauptstadt Cali? Oder schon weiters in Richtung Ecuador?

    Ich hoffe, dass es dir gut geht und wünsche dir noch weitere schöne, spannende und eindrucksvolle Erlebnisse.

    Cuidate mucho y buen camino!
    Markus

    (Si tienes un poquito tiempo ecribeme por favor: mtmoll@hotmail.com)

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  2. Hola Markus

    Hey das freut mich von dir zu hoeren. Habe oft an dich gedacht auf meiner Reise durch Kolumbien. Ja dir hat es hier auch den Aermel reingezogen das weiss ich noch gut.
    Gestern bin ich in Bogota abgefahren, mich heute bei 40 Grad im Tal des Rio Magdalena abgequaelt und jetzt bin ich wieder in den Bergen Richtung Armenia.
    Und dann wieder nach Medellin... hier koennt ich noch lange bleiben....

    Muy suerte amigo
    Matthias

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  3. Hola amigo,

    Spannender Reisebericht. Toll von dir zu lesen und gut zu wissen das es dir gut geht. Bleib gesund und geniesse es ;-)

    Liebe Gruesse aus Tokio,
    Daniel und Waka

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